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KFN-Studie Jugendgewalt
Am 17.03.2009 haben Bundesminister des Innern Dr. Wolfgang Schäuble und Professor Dr. Christian Pfeiffer, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen e.V. (KFN) , in Berlin den ersten Forschungsbericht zu einer 2007/2008 durchgeführten repräsentativen Befragung von 44.610 im Durchschnitt 15-jähriger Schüler (9. Klassen aller Schulformen) aus 61 zufällig ausgewählten Landkreisen und kreisfreien Städten vorgestellt.
In die Auswertung wurden zu einzelnen Gebieten vorliegende Ergebnisse von Dunkelfeldbefragungen aus den Jahren 1998/1999 sowie Befunde von Längsschnittstudien anderer Städte einbezogen.
Die Ergebnisse sind in neun Thesen zusammengefasst:
1. Für mehr als drei Viertel aller Jugendlichen gehörte Gewalt in den zwölf Monaten vor der Befragung nicht zu ihrem persönlichen Erfahrungsbereich.
2. Zur Entwicklung der Jugendgewalt zeigen die Befunde der Dunkelfeldforschung seit 1998 insgesamt betrachtet eine gleichbleibende bis rückläufige Tendenz.
3. Die überwiegend positiven Trends zur Entwicklung der selbstberichteten Jugendgewalt in und außerhalb von Schulen finden ihre Entsprechung im Anstieg präventiv wirkender Faktoren und im Sinken gewaltfördernder Lebensbedingungen der Jugendlichen.
4. Die Befunde der Dunkelfeldforschung zum Anzeigeverhalten der Gewaltopfer relativieren die Aussagekraft der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) in mehrfacher Hinsicht.
5. Sowohl aus Opfer- wie aus Tätersicht zeigen die Daten zur selbstberichteten Jugendgewalt, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund häufiger Gewalttaten begehen als deutsche Jugendliche.
6. Der stärkste Einfluss auf Jugendgewalt geht von der Zahl der delinquenten Freunde aus, mit denen die Jugendlichen in ihrem sozialen Netzwerk verbunden sind.
7. Sowohl der Querschnittsvergleich der bundesweiten Schülerbefragung 2007/2008 als auch die Längsschnittanalyse der vom KFN seit 198 in Großstädten durchgeführten Schülerbefragungen belegen, dass sich die Verbesserung der Bildungschancen präventiv auswirkt.
8. Der Konsum von Alkohol und illegalen Drogen, der einen eigenständigen Risikofaktor für gewalttätiges Verhalten darstellt, ist unter Jugendlichen weit verbreitet.
9. Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Rechtsextremismus prägen das Weltbild einer Minderheit von Jugendlichen; in einigen Gebieten fällt deren Anteil allerdings alarmierend hoch aus.
Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble wies darauf hin, dass die vorliegenden Forschungsergebnisse eine Vielzahl von zusammen wirkenden Ursachen, Risiko- und Begünstigungsfaktoren für Jugenddelinquenz und Jugendgewalt belegen, denen nur durch einen breiten gesamtgesellschaftlichen Ansatz begegnet werden kann.
Es gelte, einen Umdenkungsprozess, einen Perspektivwechsel in Politik und Gesellschaft im Interesse der Inneren Sicherheit einzuleiten. Statt immer mehr Mittel in die Folgekosten von Gewalt und Extremismus zu investieren, sollte universelle Förderung und darauf aufbauende gezielte und nachhaltig wirksame Prävention gefördert werden. Dies umfasst auch, mit Blick auf die unterschiedlichen Zuständigkeiten, Best-Practice Initiativen öffentlich zu machen, um Nachahmung zu ermöglichen und anzuregen. Das sprichwörtliche Rad solle und dürfe nicht ständig neu erfunden werden. Die Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und somit auch die Bekämpfung von Jugendgewalt, sei ein querschnittliches Handlungsfeld der Politik, es reiche weit über die Belange und Zuständigkeiten des Innenministers hinaus, auch über die Kompetenzen des Bundes. "Hier sind alle gesellschaftlichen Akteure in der Verantwortung. Und wenn wir diese wahrnehmen, jeder an seinem Platz, werden wir auch Veränderungen bewirken können", so Minister Dr. Schäuble abschließend.