DFK-Newsletter 80
Liebe Leserinnen und Leser,
„Eigentlich keine Art: Eigenartig wie das Wort eigenartig es fast als fremdartig hinstellt eine eigene Art zu haben“, so ein Wortspiel von Erich Fried, das uns dennoch Mut machen soll, Kinder und Jugendliche als einmalige Persönlichkeiten mit Eigenheiten, Stärken und Schwächen wahrzunehmen und zu fördern. In diesem Sinne aggressives Verhalten junger Menschen auch als Lernchance zu verstehen, klingt eigenartig, ist jedoch empirisch abgesichert:
1. Forschungsüberblick zum Gewaltverhalten von Jugendlichen in Deutschland
Leichte Gewalttaten sind bei den meisten (auffälligen) Jugendlichen episodenhaft / nicht von Dauer, nur eine kleine Gruppe von 4-6% der Jugendlichen zählt zu den Intensivtätern, die auch schwere Gewaltdelikte begehen. Einen zusammenfassenden Überblick zum Gewaltverhalten von Jugendlichen auf der Grundlage aktueller kriminologischer Forschungsergebnisse finden Sie hier auf der DFK-Website.
2. Freiräume für Kinder und Jugendliche
Wie können Städte und Gemeinden Freiräume so gestalten, dass Kinder und Jugendliche die bestmöglichen Entwicklungsbedingungen vorfinden und sich in ihrem Umfeld wohlfühlen? Qualitätsvolle, gebrauchswertorientierte und vernetzte Freiräume sind für Kinder und Jugendliche existenzielle Bedingungen für ein gesundes Aufwachsen. Ein Gutachten hat dafür Empfehlungen formuliert. Die vom Bundesinstitut für Bau- Stadt- und Raumforschung (BSBR) veröffentlichten Ergebnisse finden Sie auf der dortigen Website, das Gutachten hier direkt .
3. Regionale Gewaltrisiken und präventives Handeln
Welche Risiken bestehen, dass sich in den von demografischen Rückgängen und Verschiebungen betroffenen Regionen Deutschlands Gewaltpotentiale aufbauen, zeigt der Bericht „Demografischer Wandel im Kontext soziökonomischer Prozesse und sozialräumlicher Entwicklungen: Mögliche Auswirkungen auf Phänomene der Gewaltkriminalität und Folgerungen für die Prävention“, in dem auch die vielfältigen Felder präventiven Handels erörtert werden.
4. Buchtipp: Ulrike Kegler, In Zukunft lernen wir anders, Wenn die Schule schön wird, Weinheim und Basel 2009
Für alle Pädagogen und Eltern, die erneuernde Qualitätsentwicklung in ihren Schulen zum Ziel haben, bietet das Buch der Potsdamer Schulleiterin Ulrike Kegler einen höchst motivierenden Bericht vom Um- und Ausbau ihrer Montessori-Schule (staatliche Gemeinschaftsschule für die Klassen 1-10), in der die Kinder der Mittelpunkt aller Bemühungen sind. Statt auf neue „Rahmenbedingungen“ von Schulverwaltung und –träger zu warten, hat sie die vielfältigen Möglichkeiten des Alltags im Kleinen genutzt, um am Ende auch große Ziele zu erreichen: Die Umwandlung von der Belehrungsschule zum lernenden System, das Leistungsbereitschaft, Kreativität und Können der Kinder ermöglicht. Ein Schwerpunkt der Veränderung ist die kontinuierliche Gestaltung des Lebensortes Schule im Sinne eines Raumes für Beziehungen, Erfahrungen, Erkenntnisse, Empfindungen und Übung. Für alle, die die Lernchancen von Kindern verbessern wollen: Das 2009 im Beltz-Verlag erschienene Buch kostet 19,95 EUR.
5. Prävention sexualisierter Gewalt – Aktuelle Ausgabe von KJug
Der sexuelle Missbrauch von Mädchen und Jungen ist aufgrund konkreter Vorfälle und historischer Aufarbeitungen ein aktuelles Thema in der (Fach)Öffentlichkeit. Um Mädchen und Jungen nachhaltig vor sexualisierter Gewalt zu schützen, bedarf es jedoch noch weiterer gesicherter Erkenntnisse zu Ursachen und Wirkungen früher Belastungen ebenso wie zur Prävention und Intervention. Die Autorinnen und Autoren der Ausgabe KJug 2-2011 von Kinder- und Jugendschutz in Wissenschaft und Praxis (KJug) benennen u.a. Forschungsfragen von hoher Praxisrelevanz, die in der medizinisch-psychotherapeutischen Forschung angestoßen sind. Mittelfristig können dadurch die Kinderschutzpraxis, die pädagogische Praxis in Deutschland und hoffentlich auch die Therapieangebote und vielleicht der juristische Umgang mit Fällen von sexuellem Missbrauch verändert werden. Weitere Infos hier.
6. Computer und Internet: Risiken und Kriminalität – Prävention und Schutz
Zweifellos sind Computer und Internet für die „digital natives“ selbstverständliche Arbeits- und Kommunikationsmittel des Alltags. Darüber hinaus werden sie in der Freizeit spielerisch genutzt. Den souveränen Umgang mit den (nicht mehr so ganz) neuen Medien zu erlernen, sollte zum Standardprogramm in Schulen gehören, gleichrangig neben den Grundfertigkeiten „Lesen – Schreiben - Rechnen“.
Die Beiträge der Ausgabe
Jugend und Medien – Aus Politik und Zeitgeschichte haben die Schwerpunkte
• Kinder und Jugendliche im Web 2.0
• Gewaltmedienkonsum und Aggression
• Herausforderungen für die Medienpädagogik
• Mit „Ballerspielen“ gegen pädagogische „No-Go-Areas“?
• Gezielte Grenzverletzungen – Castingshows und Werteempfinden
• „Medienkompetenz“ - Chimäre oder Universalkompetenz?
auf den neuesten Stand gebracht.
KIM-Studie 2010
Seit 1999 dokumentiert der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest (mpfs) den Medienumgang von Kindern und bietet damit repräsentative Basisdaten zu Mediennutzung, Freizeitverhalten und Medienbesitz sowie detaillierte Nutzungswerte für die verschiedenen Mediengattungen. Insgesamt 57 Prozent der Kinder zwischen sechs und 13 Jahren nutzen zumindest selten das Internet. Die KIM-Studie belegt dabei eine deutliche Zunahme der Nutzung sozialer Netzwerke: Mittlerweile nutzen 43 Prozent der sechs- bis 13-jährigen Internetnutzer regelmäßig Communities. Auch die Liste der beliebtesten Internetseiten wird von einem sozialen Netzwerk angeführt. Im Zuge der Verbreitung von Online-Communities werden auch verstärkt persönliche Daten preisgegeben. 29 Prozent der Kinder, die das Internet nutzen, haben Fotos oder Filme von sich eingestellt.
Prävention von und Schutz vor Cybermobbing
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat sein Angebot für einen sicheren Einstieg von Kindern und Jugendlichen ins Internet erweitert. Die Seite www.surfen-ohne-risiko.net gibt nicht nur Informationen zur sicheren Internetnutzung, auch können Eltern mit ihren Kindern eine eigene Startseite mit altersgerechten Nachrichten, Onlinespielen, Surftipps, Kinder-Mail und Kinder-Chat einrichten. Weiterhin gibt die Seite www.bmfsfj.de/cybermobbing Tipps für den Umgang mit Cyber-Mobbing und nennt Beratungsstellen, an die sich Betroffene wenden können.
Dossier »Computerspiele Jugendschutz und Altersfreigaben«
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz hat das im Jahr 2009 veröffentlichte Dossier »Computerspiele. Jugendschutz und Altersfreigaben« überarbeitet und aktualisiert. Im Dossier wird der aktuelle Stand der gesetzlichen Regelungen in Bezug auf die Altersfreigaben von (Online) Computerspielen dargestellt. Ausführlich werden die Prüfpraxis der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) sowie die Prüfkriterien in Bezug auf Computerspiele erläutert. Darüber hinaus werden pädagogische Empfehlungen für Eltern zu Kauf und Umgang mit Computerspielen gegeben. Ein Serviceteil mit Literaturhinweisen, einem Glossar und Ansprechpartnern runden die 4-seitige Publikation ab. Das Dossier steht auch auf der Homepage der BAJ zum kostenlosen Download bereit, sodass Sie sich einen Eindruck hiervon machen können.
Cybermobbing: Medienkompetenz trifft Gewaltprävention
Die Handlungsanleitungen für Intervention und Prävention zeigen Phänomenologie und Hintergründe auf und geben praxisnahe Hinweise zur präventiven Arbeit. Ein Serviceteil mit technischen Begriffen und Beratungsangeboten runden die von der Landesstelle Jugendschutz Niedersachsen (LJS) herausgegebene Broschüre ab.
16. Deutscher Präventionstag (DPT)
Neben zahlreichen aktuellen Themen aus dem gesamten Arbeitsfeld der (Kriminal)-Prävention befasst sich der 16. Deutsche Präventionstag am 30./31. Mai 2011 in Oldenburg schwerpunktmäßig mit dem Themenkomplex „Neue Medienwelten – Herausforderungen für die Kriminalprävention?“ Zum Programm hier .
7. Weiterbildungsstudiengänge Kriminologie
Zum Wintersemester 2011/12 beginnt der fünfte Durchgang des weiterbildenden Masterstudiengangs „Kriminologie“. Berufstätige aus kriminologisch einschlägigen Arbeitsfeldern können in einem sozialwissenschaftlich ausgerichteten Studium berufsbegleitend den Titel „Master of Arts“ (M.A.) erlangen. Auch gibt es einen weiteren Durchgang des 4-semestrigen Masterstudiengangs „Internationale Kriminologie“. (Bewerberinfos hier).
8. Ordnung und Vernichtung - Die Polizei im NS Staat
Eine Ausstellung der Deutschen Hochschule der Polizei im Deutschen Historischen Museum in Berlin, vom 1.4. bis zum 31.07.2011: Die Polizei war ein zentrales Herrschaftsinstrument des NS-Regimes. Nicht nur die Gestapo, sondern alle Sparten der deutschen Polizei waren Akteure des Terrors gegen die politischen und weltanschaulichen Gegner des NS-Staats. Die Polizei war maßgeblich am Mord an den europäischen Juden beteiligt, aber auch an den Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung, der Verfolgung von Widerstandsgruppen gegen das nationalsozialistische Besatzungsregime und der Verschleppung von Zivilisten zur Zwangsarbeit für die deutsche Kriegswirtschaft. Die Verbrechen verübten Polizisten. Nur wenige von ihnen mussten sich für die verübten Verbrechen nach 1945 vor Gericht verantworten. Viele konnten in der Bundesrepublik ihre Karrieren im Polizeidienst fortsetzen.
Wer waren die Männer und wenigen Frauen in der deutschen Polizei, die politische und weltanschauliche Gegner des Nationalsozialismus verfolgten und schließlich ermordeten? Welche mentalen Voraussetzungen und strukturellen Bedingungen prägten das Verhalten der Polizeiangehörigen, dass sie das NS-Regime hinnahmen, sich daran beteiligten und schließlich vielfach sogar zu Mördern wurden? Wer verweigerte sich den verbrecherischen Befehlen? Welche Motive waren dafür ausschlaggebend?
Auf diese grundlegenden kriminologischen Fragen versucht das Ausstellungprojekt Antworten zu geben. Getragen wird es von der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster in Kooperation mit dem Deutschen Historischen Museum in Berlin. (Infos: www.dhm.de und www.dhpol.de)
Liebe Leserinnen und Leser,
die DFK-Geschäftsstelle ist erfreulicherweise seit Jahresbeginn durch Frau Kriminaldirektorin Astrid Fuhrmann, zugewiesen vom Landeskriminalamt NRW, verstärkt.
Die Online-Artikel der letzten Ausgabe von "forum kriminalprävention" finden Sie hier. Das nächste Heft wird am 25. Mai 2011 pünktlich zum 16. DPT erscheinen. Präventionstermine sind im Kalender ersichtlich.
Namens des DFK-Teams wünsche ich Ihnen schöne und erholsame Urlaubs- und Ostertage. Schon jetzt freue ich mich auf persönliche Begegnungen Ende Mai beim 16. DPT in Oldenburg.
Ihr Wolfgang Kahl