DFK-Newsletter 82
Liebe Leserinnen und Leser,
die neue Online-Zeitung von „forum kriminalprävention“ steht ab sofort zur Verfügung und ergänzt die Print-Ausgabe. Einzelne Artikel können – wie seit 2010 gewohnt – im Archiv als PDF abgerufen werden. Genießen Sie auch dieses Angebot.
„Etwas totreden ist dasselbe wie etwas totschweigen“, pointiert Erich Fried in einem Wortspiel. Das plötzliche Erstaunen über den Tod bringenden braunen Terrorismus erstaunt. Antworten auf die Frage, was die jungen Leute in den Hass und die Gewalt führt, sind zu finden, noch nicht auf die Frage, warum sie unauffällig morden und leben konnten. Sicherheitsbehörden hellen und klären nun auf. Unterstützer werden festgenommen. Medien berichten darüber. Extremismusforscher beleuchten Hintergründe und strukturelle Bedingungen. Die Erkenntnisse der Wissenschaft werden aber nicht immer wahrgenommen. Bürger zeigen sich verunsichert. Politiker schlussfolgern in verschiedene Richtungen.
Schutz, Abwehr und Kontrolle sind notwendig. Strategische Ziele präventiver Arbeit müssen weitreichender sein. Grundlage präventiver Erfolge sind Lebensverhältnisse, die erstrebenswerte, realistisch erreichbare Perspektiven für alle jungen Bürger gewährleisten.
Daher vertritt das DFK die Strategie, Kinder- und Jugendliche betreffende Präventionsmaßnahmen zur Förderung sozialer Kompetenzen mit Ansätzen zur Verbesserung der gesellschaftlichen Kontextbedingungen zu verbinden. Infrastrukturen der staatlichen Daseinsfürsorge müssen beibehalten und vielerorts ausgebaut sowie zivilgesellschaftliches Engagement dort dauerhaft unterstützt werden.
1. Sicherung tragfähiger Strukturen für die Quartiersentwicklung im Programm Soziale Stadt
Das Städtebauförderungsprogramm „Soziale Stadt" schafft für eine begrenzte Dauer die strukturellen und finanziellen Spielräume dafür, dass in Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf baulich-räumliche Defizite abgebaut, soziale Infrastruktur geschaffen, die Vernetzung lokaler Organisationen und Initiativen gestärkt sowie das zivilgesellschaftliche Engagement unterstützt werden können und dadurch auch kriminalpräventive Effekte erreichbar sind. Ein Forschungsprojekt hat in fünf Fallstudien untersucht, wie diese Strukturen in den Quartieren nach Ende der Förderung tragfähig erhalten werden können. Auf dieser empirischen Grundlage wurden Empfehlungen zur Gestaltung von Verstetigungsprozessen in Fördergebieten formuliert. Hinsichtlich der Prozessgestaltung wird als zentrale Maßnahme empfohlen, die Verstetigungsperspektive in den einzelnen Gebieten jeweils von Beginn an in den Blick zu nehmen. Ankerpunkte sind vor Ort aufzubauen und zu stärken: etwa Bürgerhäuser/Quartierszentren als örtliche Kristallisationspunkte, lokale Selbstorganisation durch zivilgesellschaftliche Akteure, sozialraumbezogene administrative Strukturen der Kommunalverwaltung sowie frühzeitige Einbindung privater Unternehmen im Quartier.
Die zentrale Fragestellung, unter welchen Rahmenbedingungen und Organisationsformen eine Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure vor Ort erfolgreich ist oder scheitert, wird noch genauer untersucht werden, ebenso die Frage, unter welchen Voraussetzungen es gelingen kann, die privat(wirtschaftlich)en Akteure vor Ort stärker in die Quartiersentwicklung einzubinden und zu einem größeren Engagement zu motivieren. Einen Zwischenbericht zum bisherigen Forschungsstand können Sie hier lesen.
2. Modellvorhaben „Kommunale Präventionsketten“ in Nordrhein-Westfalen
Durch eine frühzeitige, vorbeugende Unterstützung sollen das Wohlergehen und die Lebensperspektive von Kindern und Jugendlichen stabilisiert und wo nötig verbessert werden. Zugleich sollen Folgekosten reduziert werden, die den Kommunen und dem Land durch Unterstützungsmaßnahmen unzureichend qualifizierter oder integrierter Jugendlicher in späteren Jahren entstehen würden. Mit der Studie „Bilanzierung der sozialen Folgekosten in Nordrhein-Westfalen“ wurde der Nachweis erbracht, dass dieser Ansatz auch wirtschaftlich sinnvoll ist. Vor diesem Hintergrund erfolgte ein Aufruf an die Kommunen in Nordrhein-Westfalen, bis zum 15.12.2011 ihr Interesse an der Teilnahme am Modellvorhaben „Kommunale Präventionsketten“ zu bekunden.
Ziel des Modellvorhabens ist es, laufende und zukünftige Maßnahmen auf kommunaler und Landesebene auf ihre vorbeugende Wirkung hin zu untersuchen und besser aufeinander abzustimmen, um den Menschen wirksamer als bisher Unterstützung anzubieten und den Ressourceneinsatz zu optimieren. Die Angebote vor Ort sollen miteinander verbundene Glieder einer Präventionskette werden, um so Kinder und Jugendliche in den verschiedenen Lebensphasen im Blick zu behalten und ihnen rechtzeitig die notwendige Unterstützung zuteilwerden zu lassen. Beim Thema Prävention spielen Kommunen eine Schlüsselrolle. Die Akteure vor Ort sollen gemeinsam eine systematische und kontinuierliche Kooperation zwischen den Bereichen Kinder-, Jugend- und Familienhilfe, dem Gesundheitswesen, Schule und Bildungswesen, Kultur-, Sport- und sonstigen Freizeitangeboten, Ausbildungswesen und Arbeitsverwaltung, Polizei und Gerichtsbarkeit aufbauen. Bei diesem Gesamtvorhaben geht es nicht um den Aufbau (zeitlich befristeter) neuer Projektstrukturen, sondern vielmehr um die Verbesserung bestehender Kooperations-, Förder- und Interventionsstrukturen vor Ort.
Das von Landesregierung und Bertelsmann Stiftung angestoßene Modellvorhaben startet im kommenden Jahr 2012 und ist in der ersten Phase bis 2015 angelegt. Beabsichtigt ist eine Fortsetzung bis 2020. Es knüpft an den Strukturansatz von„Präventionskette und Netzwerk“ der Stadt Monheim an.
3. Impulse zu Elternbeteiligung und Gewaltprävention in kommunalen Bildungs- und Erziehungslandschaften
Im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird seit Januar 2009 ein dreijähriges Forschungsprojekt zum Thema „Elternbeteiligung und Gewaltprävention in kommunalen Bildungs- und Erziehungslandschaften“ von drei sozialwissenschaftlichen Instituten gemeinsam durchgeführt.
Das Forschungsprojekt will einen Beitrag zur Stärkung des Zusammenspiels zwischen allen Erziehungs- und Bildungsbeteiligten leisten. Hierbei stehen sowohl die Förderung von Partizipation und Entwicklung neuer Beteiligungsformen für schwer zu erreichende Eltern als auch die Schaffung neuer Zugänge zu Bildung im Mittelpunkt.
Die untersuchungsleitende Fragestellung lautet hier: Wie gestalten sich Bildungs- und Erziehungslandschaften im kommunalen Raum im Zusammenspiel zwischen Jugendhilfe, Schule, jungen Menschen und Eltern und welche Bedingungen sowie Anforderungen ergeben sich daraus für die beteiligten Institutionen, insbesondere in Hinblick auf die Schaffung von Beteiligungsmöglichkeiten und von Zugängen zu schwer erreichbaren Eltern?
Zum Projekt und zu den Zwischenergebnissen hier .
4. Demografische Spuren des ostdeutschen Transformationsprozesses
Die vorliegende Veröffentlichung dokumentiert die Fachtagung "Demografische Spuren des ostdeutschen Transformationsprozesses" (Dezembertagung des Arbeitskreises Städte und Regionen der Deutschen Gesellschaft für Demographie [DGD] in Kooperation mit dem Bundesinstitut für Bau, Stadt- und Raumforschung [BBSR] vom 9. bis 10. Dezember 2010 in Berlin). Sie beschreibt die vielfältigen Herausforderungen des demografischen Wandels, die vor allem die ostdeutschen Regionen betreffen. Die Beiträge beschreiben und bewerten den Wandel demografischer Strukturen, von dem die Regionen der neuen Länder in den letzen 20 Jahren flächendeckend mehr oder weniger betroffen waren. Es wird dargestellt, wie sich die Akteure im Raum diesen Herausforderungen aktiv stellen, das bereits Erreichte wird bewertet. Viele dieser Lösungsansätze, die im Kontext notwendiger Anpassungsprozesse entwickelt wurden, sind dabei bestens als Orientierungs- und Handlungsvorlage auch für westdeutsche Akteure geeignet, die über kurz oder lang vor ähnlichen Herausforderungen stehen werden. Bundesweit gilt es, sich auf die absehbaren demografischen Schrumpfungs- und Alterungsprozesse vorzubereiten bzw. einzustellen, wobei die hier veröffentlichten Beiträge im Idealfall hilfreiche Anregungen geben.
5. Neuer Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs
Johannes-Wilhelm Rörig, Ministerialdirigent im Bundesfamilienministerium, trat am 1. Dezember 2011 die Nachfolge von Dr. Christine Bergmann an. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstützt auch weiterhin eine Unabhängige Stelle für die Thematik des sexuellen Kindesmissbrauchs. Damit wird eine der zentralen Forderungen des Runden Tisches und der ehemaligen Beauftragten aufgegriffen, die ihre Tätigkeit Ende Oktober 2011 beendet hatte (vgl. zum Thema die Beiträge in der aktuellen forum kriminalprävention). Die Tätigkeit des Unabhängigen Beauftragten ist auf die Zeit der Legislaturperiode, längstens bis 31. Dezember 2013, befristet. Rörig ist als Unabhängiger Beauftragter nicht weisungsgebunden und wird von seinen bisherigen Aufgaben im Bundesfamilienministerium vollständig freigestellt. Organisatorisch, personell und finanziell erfolgt die Anbindung beim Bundesfamilienministerium. Die bisherige Geschäftsstelle der Unabhängigen Beauftragten sowie die telefonische Anlaufstelle bleiben dem neuen Unabhängigen Beauftragten zugeordnet: Hier weitere Informationen zur Ernennung des Unabhängigen Beauftragten.
6. Einrichtung der „Arbeitsstelle Jugendgewaltprävention“ in Berlin – Ausschreibung
Die Landeskommission Berlin gegen Gewalt (c/o Senatsverwaltung für Inneres und Sport) beabsichtigt eine wissenschaftsbasierte „Arbeitsstelle Jugendgewaltprävention“ für zunächst 5 Jahre als Bestandteil des vom Berliner Senat am 7. Juni 2011 beschlossenen Gesamtkonzepts zur Reduzierung der Jugendgewaltdelinquenz in Berlin einzurichten. Die Ausschreibung zum Teilnahmewettbewerb finden Sie hier. Mit der Einrichtung der „Arbeitsstelle Jugendgewaltprävention“ ist das Ziel verbunden, bei der Umsetzung dieses Gesamtkonzepts wissenschaftlichen Sachverstand zu nutzen und die Weiterentwicklung von Präventions- und Interventionsmaßnahmen im Bereich der Jugendgewaltdelinquenz wissenschaftlich zu fundieren.
Im Wesentlichen besteht folgende Auftragslage:
• Entwicklung und Fortschreibung eines Evaluationskonzepts
• Monitoring „Jugendgewaltdelinquenz“ in Berlin
• Veranstaltungen und Workshops
• Koordinationsleistungen und Kontrolle, Berichte und Empfehlungen
Die Frist der Bewerbung zum Teilnahmewettbewerb endet am 16. Januar 2012.
7. Beccaria-Qualifizierungsprogramm 2012
Mit dem Motto „Erfolgsfaktor Bildung“ lädt der Landespräventionsrat Niedersachsen bereits zum 5. Mal zur Teilnahme am Beccaria-Qualifizierungsprogramm ein. Die stetig zunehmenden fachlichen Anforderungen an wirkungsvolle Kriminalprävention lassen die Bedeutung von Aus- und Weiterbildung kontinuierlich steigen. Grund genug für den LPR, fundiertes Präventionswissen zu vermitteln. Am 12.11.2011 wurde 18 Programmteilnehmer/innen das Zertifikat „Fachkraft für Kriminalprävention“ verliehen. Diese Chance, Fachkompetenz und Fachkenntnisse zu erwerben, gibt es auch im kommenden Jahr 2012. Anmeldungen sind noch möglich.
Das berufsbegleitende Angebot beinhaltet die vier Module: Kriminologie, Kriminalprävention, Projektmanagement und Projektbegleitung. Jedes Modul umfasst zwei Wochenenden.
Anmeldeformular und weitere detaillierte Information – wie Termine, Teilnahmegebühren können hier abgerufen werden.
8. Best-Practice-Conference des EUCPN
Die Konferenz des Europäischen Netzwerkes für Kriminalprävention (EUCPN) zu erfolgreichen Projekten (Best-Practice-Conference) zum Thema „Sport, science and art in the prevention of crime among children and youth” findet am 14. und 15. Dezember 2011 in Warschau statt. Die dort vorzustellenden Projekte zeigen präventive Ansätze u.a. in den Handlungsfeldern Sport, Wissenschaft und Kunst (als pädagogische Settings), die insbesondere das Ziel verfolgen und wirksam erreichen, Mobbing, Gewalt und Kriminalität zu reduzieren. Zugleich bietet die Tagung den Rahmen für die Vergabe des Europäischen Präventionspreises (ECPA) an eines der vorgeschlagenen Projekte. Deutschland geht mit dem Antimobbing-Programm fairplayer.manual / fairplayer.sport ins Rennen. Einen Bericht zur Kick-Off-Veranstaltung der Fairplayer-Kooperation von Deutscher Bahn AG, Freier Universität Berlin und DFK am 11. November 2011 in Berlin finden Sie in der aktuellen forum kriminalprävention.
9. Die Digitale Gesellschaft 2011 – Studien zur Mediennutzung
Am 1.12.2011 veröffentlichte die Initiative D21 bereits zum dritten Mal die Studie "Die Digitale Gesellschaft - Sechs Nutzertypen im Vergleich" und stellt fest: Die Entwicklung der digitalen Gesellschaft stagniert. Vor dem Hintergrund der Diskussionen um Datenschutz, Identitätsdiebstahl und Internetbetrug scheinen die Deutschen ihr distanziertes Verhältnis zu den digitalen Medien weiterhin zu wahren. Die Studie zum Download finden Sie hier.
Trotz der großen Auswahl an Medienangeboten und der Präferenz für elektronische Medien wissen Jugendliche auch „alte“ Medien zu schätzen: 44 Prozent der Jugendlichen lesen regelmäßig Bücher und 42 Prozent Tageszeitungen. Auf die Frage, welchem Medium sie bei widersprüchlicher Berichterstattung am ehesten glauben würden, schenken die Jugendlichen zu 40 Prozent der Tageszeitung das größte Vertrauen. 29 Prozent entscheiden sich für das Fernsehen und 16 Prozent für das Radio. Trotz der hohen Alltagsrelevanz des Internets, entfallen bei dieser Frage hierauf nur 14 Prozent der Nennungen, so die aktuelle Studie JIM (Jugend, Information, Multi- Media) 2011. Die Studienreihe JIM wird vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest seit 1998 in Zusammenarbeit mit dem Südwestrundfunk durchgeführt. Die repräsentative Studie bildet das Medienverhalten der Jugendlichen in Deutschland ab. Für die Befragung wurden ca. 1.200 Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren im Frühsommer 2011 telefonisch befragt. Neben Daten zur Internetnutzung enthält die JIM-Studie Angaben zum Freizeitverhalten und Themeninteressen sowie Mediennutzungsdaten zu Fernsehen, Radio, Büchern, Computerspielen und Handy.
Liebe Leserinnen und Leser,
Der Klimagipfel in Durban ist zu Ende gegangen und der Beginn der „Klimarettung“ wurde erneut verschoben… Der „Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU)“ begründet in seinem aktuellen Bericht „Welt im Wandel – Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“ die dringende Notwendigkeit einer alternativen Wirtschafts- und Lebensweise, zeigt zugleich die Machbarkeit der Wende zur Nachhaltigkeit auf und präsentiert zehn konkrete Maßnahmenbündel zur Beschleunigung des erforderlichen Umbaus. Damit die Transformation tatsächlich gelingen kann, muss ein Gesellschaftsvertrag zur Innovation durch einen neuartigen Diskurs zwischen Regierungen und Bürgern innerhalb und außerhalb der Grenzen des Nationalstaats geschlossen werden. Außergewöhnlich umfassend und detailliert werden sowohl Politikblockaden als auch Wege, diese zu durchbrechen, aufgezeigt.
Wie immer zum Jahresende:
Der Vorstand und das Team der Geschäftsstelle wünschen Ihnen eine besinnliche Weihnachtszeit und einen fröhlichen Jahreswechsel. Kommen Sie zuversichtlich mit neuen Perspektiven gut ins nächste Jahr.
Herzliche Grüße
Ihr Wolfgang Kahl