DFK-Newsletter 85 (November 2012)
„Das Schreiben nützt vielleicht erst, wenn man glaubt, daß es nichts mehr nützt. – Aber zu glauben, es nützt nichts mehr, nur damit es doch noch nützt, ist eine List die nichts nützt.“
Liebe Leserinnen und Leser,
diese „Nützlichkeitserwägungen“ von Erich Fried berücksichtigend folgt ein Panorama zum aktuellen Rechtsextremismus-Diskurs.
1. BKA – Herbsttagung „Bekämpfung des Rechtsextremismus“
Die diesjährige Herbsttagung des Bundeskriminalamtes (13. - 14. November 2012) behandelte das Thema "Bekämpfung des Rechtsextremismus - eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung" auch hinsichtlich der gesellschaftlichen und internationalen Bezüge. Referenten aus den Bereichen Politik, Sicherheitsbehörden/Polizei, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Medien beleuchteten das Phänomen aus ihrer jeweiligen Perspektive insbesondere mit Blick auf Möglichkeiten einer verbesserten Bekämpfung des Rechtsextremismus in Deutschland: Kurzfassungen der Vorträge, eine Literaturzusammenstellung sowie die ausführliche Textfassung des vom Journalisten Christian Bangel (Chef vom Dienst bei ZEIT ONLINE) vorgetragenen Beitrages: "Wie können Medien dem Rechtsextremismus begegnen?"
2. „forum kriminalprävention“ mit Titelthema „Rechtsextremismus und Prävention“
Pünktlich zur BKA-Herbsttagung ist das aktuelle Heft 4-2012 erschienen und verdeutlicht, dass die Themen „Rechtsextremismus und Prävention“ nicht nur die Arbeit von Sicherheitsbehörden betreffen, wie im Editorial erläutert und in den Beiträgen deutlich wird. Michail Logvinov erörtert in seinem Beitrag Erklärungsansätze und Dynamik rechter Gewalt im Kontext extremistischer Ideologie. Marc Coester erläutert die Ansätze zur Prävention von Rechtsextremismus in Niedersachsen. Thomas Mücke befasst sich mit der Deradikalisierung von rechtsextremistisch gefährdeten Jugendlichen, die insbesondere wegen Gewaltdelikte inhaftiert sind bzw. inhaftiert waren. Helmut Lukas zeigt anschließend, dass das die präventive Arbeit im Jugendstrafvollzug Erfolge bei der Legalbewährung nachweisen kann. Beispielgebend für zivilgesellschaftliche Bewusstseinsbildung sind etwa die Schüler des Aldegrever-Gymnasiums in Soest. Sie beziehen klar Stellung gegen Fremdenfeindlichkeit und rechte Gewalt. Diesen Standpunkt haben Schüler mit ihren Bildern und Karikaturen untermauert, die sie im Kunstunterricht gezeichnet haben. Die Ausstellung trägt den Titel „Zeichen setzen gegen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt gegen Fremde“, aus ihr stammt das Bild auf der Titelseite des Heftes.
3. DFK-Symposium „Gemeinsam gegen Rechtsextremismus – Der Beitrag der Wirtschaft“
Rechtsextremismus macht an Werkstoren nicht halt. Die Einsicht, dass Unternehmen für Fremdenfeindlichkeit und politischen Extremismus keine Tabuzonen sind, begründet die Notwendigkeit eines engagierten Beitrages der Wirtschaft für Weltoffenheit, Vielfalt und Toleranz sowie gegen Rechtextremismus. Während des vom DFK am 4. Oktober 2012 im Bundesministerium der Justiz in Berlin veranstalten Symposiums „Gemeinsam gegen Rechtsextremismus – Der Beitrag der Wirtschaft“ stellten Deutsche Bahn AG, Volkswagen AG und ArcelorMittal Eisenhüttenstadt erfolgreiche Unternehmensprojekte vor. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die derzeitige Präsidentin des DFK-Kuratoriums, diskutierte zudem mit Vertretern der Wirtschaft und Wissenschaft, wie Unternehmen einen noch besseren Beitrag für Toleranz und gegen Rechtsextremismus leisten können. Ein Bericht zur Veranstaltung befindet Sie hier (fk 4-2012).
4. DFK-Projekt „Hasskriminalität – Vorurteilskriminalität: Primäre Prävention von Gewalt gegen Gruppenangehörige – insbesondere junge Menschen“
Im August 2001 beauftragte das Bundesministerium der Justiz das DFK, das (US-amerikanische) Konzept der sogenannten Hate Crimes im Hinblick auf die deutsche Situation zu diskutieren und Schlussfolgerungen für die Prävention zu erarbeiten. Hauptergebnis der mehrjährigen Arbeit waren Empfehlungen zur primären Prävention von Gewalt gegen Gruppenangehörige. Endbericht und umfangreiche Materialien finden Sie hier auf der Website des DFK.
5. Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung: „Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012“
Seit Jahren weist die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) anhand empirischer Befunde darauf hin, dass rechtsextremes Denken in Deutschland kein „Randproblem“, sondern eines der Mitte der Gesellschaft ist. Die seit 2006 im Zweijahresrhythmus von der FES in Auftrag gegebenen „Mitte“-Studien“ belegen, dass rechtsextreme Haltungen in allen Teilen der Gesellschaft in erheblichem Maße anzutreffen sind. Auch 2012 wurde wieder eine bundesweite repräsentative Befragung durchgeführt: „Die Mitte im Umbruch“ ist ein Barometer aktueller antidemokratischer Einstellungen in Deutschland. Danach ist rechtsextremistisches Gedankengut auf dem Vormarsch – vor allem in Ostdeutschland. Die Studie und eine Zusammenfassung der Ergebnisse finden Sie hier.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf das Projekt „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ (GFM Survey 2002 – 2012). Prof. Dr. Heitmeyer und Kolleg/inn/en haben Ausmaß und Entwicklung des Syndroms menschenfeindlicher Einstellungen (Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Heterophobie, Etabliertenvorrechte) in der Bevölkerung Deutschlands im Zeitverlauf (mittels jährlicher Erhebung) analysiert und auf der Basis sozialpsychologischer und soziologischer Konzepte erklärt (Info).
6. Informationen der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) zum „Rechtsextremismus“
Der Rechtsextremismus ist in Deutschland in eine neue Phase eingetreten: Militanz, Gewaltbereitschaft und von Hass getriebene Entschlossenheit der Szene haben zugenommen. Entsprechend werden die bestehenden Instrumente der Extremismusbekämpfung überprüft, wird über neue geeignete Maßnahmen nachgedacht. Auch ein NPD-Verbotsverfahren steht wieder zur Debatte: Vertiefende Erörterungen der aktuellen Entwicklungen sind in den Artikeln „Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ)“ zu „Rechtsextremismus“ sowie „Ungleichheit; Ungleichwertigkeit“ nachzulesen. Das umfassende Informationsangebot der bpb zum Rechtsextremismus kann hier eingesehen werden.
7. Demografischer Wandel im Kontext sozioökonomischer Prozesse und sozialräumlicher Entwicklungen: Mögliche Auswirkungen auf Phänomene der Gewaltkriminalität und Folgerungen für die Prävention
Vorhersehbare sicherheitspolitisch relevante Auswirkungen komplexer sozioökonomischer Prozesse, sozialräumlicher Entwicklungen und erheblicher demografischer Veränderungen auf die Kriminalitätslage sollten nicht erst im Stadium der Konkretisierung aufgegriffen sondern bereits jetzt beschrieben werden, um rechtzeitig ursachenorientiert und im Wortsinne präventiv, nämlich zuvorkommend, politisch handeln zu können. Im Kapitel 5 werden die Risiken der „Gewalt- und Vorurteilskriminalität in schrumpfenden und alternden Gebieten mit hoher Abwanderung“ aufgezeigt und begründet. Folgend geht es um politische Handlungsfelder, die einen Beitrag zur strukturellen Prävention leisten können und schließlich werden Handlungserfordernisse auf der individuellen Ebene ergänzt.
Den 2011 beim DFK erstellten Bericht finden Sie hier.
8. Fachtagung „Kommunale Netzwerkarbeit gegen Rechtsextremismus" am 22. November 2012 in Hannover
Die Netzwerkarbeit gegen Rechtsextremismus nimmt an Bedeutung für die Kommunen in Deutschland zu. Immer wichtiger wird hierbei die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure/innen und Institutionen vor Ort. Deren unterschiedliche Erfahrungen und Handlungsansätze gilt es in Zukunft noch effektiver zu vernetzen und zu nutzen. Die Fachtagung richtet sich an interessierte Personen und engagierte Einrichtungen, möchte informieren und (mit der Methode des Open Space) den Austausch über Herausforderungen, Umsetzungsstrategien und Erfolgsmodelle fördern.Weitere Informationen hier.
Informationen zu anderen Themen und Veranstaltungen in Kurzform:
9. Beccaria-Qualifizierungsprogramm 2013
Bereits zum 6. Mal lädt der Landespräventionsrat Niedersachsen zum Beccaria-Qualifizierungsprogramm ein. Das berufsbegleitende Angebot beinhaltet die vier Module: Kriminologie, Kriminalprävention, Projektmanagement und Projektbegleitung. Jedes Modul umfasst zwei Wochenenden. Anmeldeformular und weitere detaillierte Information – wie Termine, Teilnahmegebühren, Namen der Dozentin und Dozenten – können hier abgerufen werden.
10. Konferenz „Jugendkriminalität und Jugendgewalt: Aktuelle Befunde und Perspektiven für die Prävention“ (YouPrev) am 27.11.2012 in Berlin
Die Ergebnisse des europäischen Forschungsprojekts „YouPrev“ werden am 27. November 2012 im Bildungszentrum Erkner bei Berlin präsentiert. Die Teilnahme ist kostenlos. Weitere Informationen hier .
11. Tagung zum Thema "Sicherheitspartnerschaften - gemeinsam gegen Wohnungseinbruch" am 6. Dezember 2012 in Bremen
Am 6. Dezember 2012 veranstaltet die Kooperationsstelle Kriminalprävention im Haus der Bremischen Bürgerschaft die 4. Jahrestagung zum Thema "Sicherheitspartnerschaften - gemeinsam gegen Wohnungseinbruch". Informationen zu Programm und Anmeldung befinden sich hier.
13. Konferenz des Europäischen Netzwerkes für Kriminalprävention (EUCPN) vom 4. bis 6. Dezember in Nikosia/Zypern
Thema der EUCPN-Konferenz ist „Community Policing as a tool for Crime Prevention”. Aus Deutschland werden Vertreter der Bundesministerien des Innern und der Justiz sowie von DFK und DPT teilnehmen. Prof. Dr. Bernhard Frevel (Münster) wird das deutsche Forschungsprojekt „Kooperative Sicherheitspolitik in der Stadt (KoSiPol)“ vorstellen.
14. Forschungsprojekt „Kooperative Sicherheitspolitik in der Stadt (KoSiPol)“
Einen Bericht zur gemeinsam mit dem DFK in Bonn veranstalteten Abschlusskonferenz am 11. September 2012 finden Sie hier.
12. Kongress des Europäischen Forums für urbane Sicherheit (EFUS) “Security, Democracy and Cities: The Future of Prevention” vom 12. bis 14. Dezember 2012 in Paris
Die Konferenz dient dem europäischen und internationalen Austausch von Praktiken, Erfahrungen und Wissen im Bereich der Kriminalprävention.Verschiedene Themen werden in 18 Diskussionsrunden behandelt. Projekte und Forschungserbegnisse werden in rund 30 „Zoomsessions“ vorgestellt. Im Rahmen der Konferenz können auch lokale Präventionsprojekte besichtigt werden. Ein Austellungsbereich bietet Städte und Gemeinden sowie anderen Institutionen ihre Arbeit vorzustellen. Alle Informationen zu Programm und Teilnahmemöglichkeiten finden Sie hier.
15. Nationales Waffenregister (NWR) ab 1. Januar 2013
Mit der Errichtung des NWR werden unter Beibehaltung der föderalen Strukturen die Voraussetzungen geschaffen, um die in den rund 550 lokalen Waffenbehörden erfassten Informationen standardisiert aufzubereiten und in eine zentrale computergestützte Datenbank zu überführen. Die örtlichen Waffenbehörden - bislang untereinander nicht vernetzt - bleiben dabei sachbearbeitende Stelle. Sie sind für die Speicherung aktueller und richtiger Daten im NWR verantwortlich. Die völlig neu eingerichtete zentrale Komponente des Registers im Bundesverwaltungsamt (BVA) in Köln ist quasi die Synchronisationsdrehscheibe. Vor allem aber soll sie die zentrale Auskunftsdatenbank werden. Wenn am 1. Januar 2013 das Nationale Waffenregister in Betrieb geht, können alle deutschen Sicherheits- und Waffenbehörden einen gemeinsamen, stets aktuell gehaltenen Datenpool nutzen. Weitere Informationen zur Vorstellung des NWR durch Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich sowie Innenminister Lorenz Caffier aus Mecklenburg-Vorpommern (Vorsitz der Innenministerkonferenz) hier.
Liebe Leserinnen und Leser, ich hoffe, dass Ihnen einige Informationen bei der wichtigen Präventionsarbeit nützen werden. Für den Jahresendspurt wünsche ich alles Gute,
herzliche Grüße
Ihr Wolfgang Kahl