DFK-Newsletter 88 (April 2013)
Liebe Leserinnen und Leser,
„Glaubst du, du bist noch zu klein, um große Fragen zu stellen? Dann kriegen die Großen dich klein, bevor du groß genug bist.“ Erich Fried spielt auf die Entwicklungsaufgaben an, die Kinder und Jugendliche zu meistern haben, nicht immer unter günstigen Vorzeichen.
Entwicklungsförderung ist der paradigmatische Ausgangspunkt für eine gelingende Gewaltprävention, wie sie von der Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention (DFK) fortentwickelt und besonders unterstützt wird. Im Kern werden frühes soziales Norm- und Verhaltenslernen in der familiären Basissozialisation sowie in Kindergarten und Schule empfohlen.
Zur Fortentwicklung des Angebotsspektrums von Förderung & Prävention hat das DFK in der 2008 herausgegebenen Expertise „Gelingensbedingungen für die Prävention von interpersonaler Gewalt im Kindes- und Jugendalter“ dann ein entwicklungsorientiertes Verständnis von Prävention vorgestellt. Die Auswirkungen des eingeleiteten Perspektivenwechsels von einem an Defiziten ausgerichteten Ansatz hin zu einem an Stärken anknüpfenden Verständnis, ohne jedoch Defizite außer Acht zu lassen, zeigen sich u.a. bereits bei einigen erprobten und evaluierten Programmen zur Förderung von Kompetenzen, Selbstbewusstsein und Empathiefähigkeit.
Im Herbst 2012 konnte das DFK zur weiteren Klärung bestehender Probleme (unzureichende Stärkungen des pädagogischen Alltag, Verbreitung unwirksamer Angebote, fehlende Verstetigung wirksamer Ansätze, geringe Wirkung bisheriger Steuerungsinstrumente) einen Sachverständigenrat mit 13 Experten aus Wissenschaft und Praxis einberufen, der seitdem insbesondere daran arbeitet
• mehr Transparenz über wirksame und praxistaugliche Angebote und ihrer Implementierung herzustellen,
• die wirksamen und praxistauglichen Angebote stärker zu verbreiten und miteinander zu verknüpfen,
• mehr Wissen über noch ungeprüfte Angebote, über die Implementierung von Angeboten sowie über die Verknüpfung / Verzahnung von Angeboten zu erhalten.
Erstes Ergebnis ist der vorliegende Leitfaden „Entwicklungsförderung und Gewaltprävention für junge Menschen – Impulse für die Auswahl & Durchführung wirksamer Programme“, der im Rahmen des 18. Deutschen Präventionstages (DPT) in Bielefeld vorgestellt und diskutiert wird.
18. DPT, Bielefeld, 22. April 2013, 14:00 – 15:00 Uhr, Konferenzraum 8
DFK-Projekt „Entwicklungsförderung und Gewaltprävention für junge Menschen – Kriterienkatalog für wirksame Präventionsarbeit“:
Präsentation und Diskussion mit Prof. Dr. Andreas Beelmann, Dr. Christian Böhm, Prof. Dr. Nina Heinrichs, Christine Liermann, Wolfgang Kahl, Prof. Dr. Siegfried Preiser und Prof. Dr. Herbert Scheithauer.
Der Leitfaden erweitert die fördernde und präventive Perspektive insbesondere um Aspekte der Effektivität, der Messung von Wirksamkeit und Umsetzungsqualität sowie der Implementierung in Kitas und Schulen. Schließlich werden Fragen des Transfers und einer weitergehenden Verbreitung (Dissemination) von wirksamen und praxistauglichen Präventionsangeboten erörtert. Ergänzend wird ein Qualitätskriterienkatalog für wirksame Präventionsprogramme angeboten.
Die Impulse richten sich an professionelle Praktiker aber auch an Entscheidungsverantwortliche in Institutionen, in Verwaltung und nicht zuletzt in Politik.
Der DFK-Sachverständigenrat diskutiert und bearbeitet diese Fragen weiter. Insbesondere kommt es darauf an, eine beispielhafte Kooperation derjenigen Akteure zu gestalten, die sich mit der Qualität und Verbreitung entwicklungsorientierter Präventionsansätze beschäftigen und an Möglichkeiten eines verbesserten Wissenstransfers sowie weitergehender Implementierungshilfen arbeiten.
Ob es am Ende zur Entwicklung einer zwischen Bund und Ländern abgestimmten „Nationalen Strategie“ wie z.B. in der Schweiz oder in skandinavischen Staaten kommen wird, ist momentan nicht absehbar, sollte aber als strategisches Ziel im Blick behalten werden.
In den vom „United Nations Office on Drugs and Crime“ herausgegebenen "Internationalen Standards zur Prävention des Drogenmissbrauchs" werden Charakteristika eines effektiven Präventionssystems beschrieben, die Maßstab der Präventionsarbeit in Deutschland sein sollten:
• eine unterstützende Politik und rechtliche Rahmenbedingungen,
• wissenschaftlich begründete Entscheidungsfindungen,
• Kooperation in den bzw. Koordination der unterschiedlichen Handlungsfelder (vertikal und horizontal),
• Qualifizierung von Entscheidungsträgern und Praktikern,
• politisches Einverständnis, dass angemessene Ressourcen bereit gestellt und langfristig abgesichert werden.
Angesichts der drängenden Herausforderungen auch in anderen Politikfeldern sind diese Prinzipien unumgänglich und Kooperation ist dabei das zentrale Paradigma.
Lieber Leserinnen und Leser, einige große Fragen sind nun aufgeworfen. Ich freue mich, wenn wir in der kommenden Woche in Bielefeld Antworten finden und diskutieren. Ich wünsche eine gute Anreise und verbleibe bis dahin mit herzlichen Grüßen
Ihr Wolfgang Kahl